Das einjährige Jubliläum

Published by sara on December 14, 2008

Ein Jahr ist es nun her, als unsere Wohnung beim Abendessen von einer Greiftruppe der Polizei gestürmt wurde.
“Ihr habt 10 Minuten Zeit, packt eure Sachen! Es geht los! Der Flieger wartet!”
Ein Jahr ist es nun her, als ich den Anruf von meinem Vater erhielt. “Hassan, Sie sind da. Sie holen uns!”
Ich stand mitten im Abi-Stress und habe mich bei einem Freund auf eine Klausur vorbereitet.
Ich hatte Glück und erreichte unsere Wohnung kurz bevor die Deportation meiner Familie los ging.
Was ich da sah, werde in einem Leben nie vergessen.
Da saß meine Familie zusammengepfercht in den Polizeibussen. Ich wollte meine Familie wenigstens in der Arm nehmen…
Dieser Anruf hätte, wenn es nach der Polizei gegangen wäre, gar nicht statt gefunden.
Die Polizisten hatten die Batterien aus dem Telefon genommen.
Mein Vater nahm die Batterien aus der Fersehfernbedienung und rief mich an.
“Wir haben keine Zeit!” “Der Flieger wartet!” “Wir müssen los”!
So wurd ich aus dem Weg geräumt und sie fuhren los.
So stand ich da und sah die leeren mit Tränen überfüllten Augen meiner Geschwister.
Sonst waren diese Augen voller Hoffnung, Elan und Lebensfreude.
Die Gesichtsausdrücke meiner Geschwister werde ich nie vergessen…
In mir wurden Erinnerungen an ganz dunkele Kapitel der deutschen Geschichte wach!
Ich dachte mir: Es wird wieder Jagd auf Menschen gemacht!

Wir fuhren zum Flughafen hinter her.
Durch reinen Zufall sah ich meine Familie und konnte alle in die Arme nehmen.
Die AG “Wohlfahrt”, so nennt sich diese zynische und menschenverachtende Behörde, hat alles daran gesetzt, dass ich mich von meiner Familie nicht verabschieden kann und uns bewusst in die Irre geführt. Sie haben es nicht geschafft!
Umgangston und Verhaltensweise dieser Leute lässt vermuten, um es euphemistisch auszudrücken, dass sie keine Sympathien für uns hegen.
Wir mussten uns nachäffen und auslachen lassen. Diese Leute hatten sichtlich Spaß an ihrer Arbeit…
Der Spaß sollte denen aber bald vergehen!
Eine Stunde später saß ich bei Bekannten und fragte mich, wo sich wohl meine Familie befindet, als meine Handy klingelte…

Meine Familie befand sich in Deutschland. Ich war der glücklichste Mensch auf Erden.

Der Pilot hatte sich geweigert meine Familie auszufliegen. Wahrscheinlich hatte er in die Augen meiner Geschwister geschaut…
Die Leuten von der Wohlfahrt war sichtlich die Laune verdorben! Sie haben alles versucht den Piloten umzustimmen. Er beharrte auf seine
humane Entscheidung und hebte mit 30 minutiger Verspätung erst ab, als meine Familie nicht mehr an Board war.
Meine Familie war wieder frei! Außer mein Vater, er wurde in Abschiebehaft gesteckt. Eine Woche später wurde aus dem Gefängnis heraus abgeschoben.
Wie sagte mir einst der Leiter der Behörde: “Bei euch Araber ist es doch so, kaum schiebt man den Mann ab, kommt zwei Tage später die Frau und fleht darum auszureisen”. Dann lachte der “Kulturkenner” spöttisch. Sein “Schachzug” ist ihm gründlich misslungen. Meine Mutter und Geschwister sind ein Jahr später immer noch hier. Wahrscheinlich lacht er nicht mehr…

In der Zwischenzeit habe ich trotz aller Widerstände mein Abi gemacht und will Lehrer werden. Ich habe einen Studienplatz für Lehramt an Gymnasien für die Fächer Deutsch und Ethik an der TU Darmstadt Ich kann aber nicht das Studium beginnen. Mein Aufenthaltsstatus von 2 Wochen erlaubt es mir nicht.
Noch erlaubt es mir mein Aufenthaltsstatus eine Arbeit aufzunehmen. obwohl meine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für sechs Monate gestrichen und jetzt gekürzt wurden.
Cäsar hat gesagt: “Einem Gast gegenüber gewaltätig zu werden, gilt als Frevel; wer aus irgendeinem Grund zu ihnen, den German kommt, den schützen sie vor Unrecht und behandeln ihn wie einen Unverletzlichen; ihm stehen die Häuser aller offen, und er hat Teil an ihrem Leben.

“Wissen Sie eigentlich, dass bedingt durch meine Anwesenheit hier in Frankfurt, gegen das Ausländergesetz verstoßen habe?Meine Rezidenzpflicht ist auf den Kreis Offenbach beschränkt, dem zu Folge habe ich mich strafbar gemacht!Aber ich bin trotzdem hier!Mir ist wichtig, dass die Bürger, also Sie, wissen, wie mit “Unverletzlichen” in diesem Land umgegangen wird.” (Zitat des Verfassers bei einem Vortrag in Frankfurt)

In diesem Sinne!
“Verschließe dein Haus nicht vor dem Fremden!”
Altes Testament, Midrasch Sfire zu 4. Mose
Zumal der “Fremde” schon lange nicht mehr fremd ist.

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Jugendliche ohne Grenzen